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Wie ich mit 25 die Diagnose ADHS erhielt

Da es sich um meinen ersten Beitrag auf meinem neuen Blog handelt werde ich ihn erstmal dazu nutzen, um mich vorzustellen. Ich heiße Svenja, bin 27 Jahre alt und wurde vor ca. zwei Jahren mit ADHS diagnostiziert, die genaue Geschichte dazu werde ich natürlich auch noch erzählen.


Über mich:

Ich studiere derzeit Psychologie im Bachelor an der Fernuniversität in Hagen, arbeite in Teilzeit als Telefonistin und bearbeite dort eigentlich alle sekretärischen Aufgaben, die es eben so zu erledigen gibt, für verschiedene Kunden*Kundinnen. Ich arbeite als ehrenamtliche Sterbebegleiterin bei einem Humanistischen Hospizdienst und mache ebenfalls eine Ausbildung als Personal Coach bzw. Psychologische Beraterin, welche Ende dieser Woche dann hoffentlich abgeschlossen sein wird.

Ansonsten bin ich seit 2 Jahren mit einem wundervollen Mann verheiratet und wir leben zusammen mit unserem gemeinsamen Kätzchen in einer Wohnung, in einer sehr dörflichen und ruhigen Umgebung.


Die Geschichte hinter Kunterbuntsein

Angefangen hat das ganze Thema Kunterbuntsein auf Instagram, da habe ich nämlich angefangen meine eigenen Gedanken und Reflektionen mit denen ich tagtäglich so konfrontiert bin zu teilen und mir hat das Ganze geholfen nochmal eine Ordnung zu finden, in den Themen über die ich sowieso nachdenke und nochmal eine Zusammenfassung von allem zu haben. Das finde ich immer super hilfreich, ansonsten hat man manchmal das Gefühl so viel Chaos und Gedanken im Kopf zu haben, dass man gar nicht mehr genau weiß was das Resultat für einen selber war. Und wenn ich das Ganze in einem Beitrag zusammenfasse, dann fühlt sich das für mich immer sehr geordnet an und ich kann manchmal zurückblicken auf die Gedanken und Reflektionen, die ich irgendwann noch vor einem halben Jahr o.ä. hatte.


Auf der anderen Seite gibt es auch viele Leute, die sich dadurch verstanden fühlen, das Gefühl haben nicht alleine zu sein, weil sie vielleicht die gleichen Dinge gerade durchmachen oder selber viele Fragen haben die irgendwie nach einer Antwort lechzten. Manche von meinen Beiträgen helfen dann vielleicht so eine Antwort zu finden. Und das eben dadurch, dass ich viel darüber schreibe wie es eigentlich ist ADHS zu haben, was für Probleme dadurch entstehen, aber auch Gedanken und Hilfsmittel wie ich mit dem Thema umgehe. Ein Podcast wurde dann schlussendlich auch ins Leben gerufen und auf diesem basiert auch dieser Blog.

Das bedeutet, dass dieser Blog eine Verschriftlichung meiner Podcast-Folgen ist, bspw. für gehörlose Menschen oder Menschen die einfach lieber lesen statt zuzuhören.


Kontakt & Austausch

Und falls ihr irgendwelche Themenwünsche habt oder falls ihr irgendwelche Gedanken gerade oder bestimmte Themen habt, die euch im Kopf herumschwirren, dann könnt ihr mir das auch gerne jederzeit schreiben. Ich freue mich immer über Inspiration und Input, auch wenn ich glaube ich, niemand bin dem die Ideen irgendwann mal ausgehen sollten. Ich freue mich trotzdem immer über Austausch und eure Gedanken.


Meine Geschichte mit ADHS:

Wie versprochen möchte ich jetzt natürlich auch noch über meine eigene Geschichte mit dem Thema ADHS sprechen. Alles hat ungefähr vor 3-4 Jahren angefangen, als ich das erste Mal das Gefühl hatte, das ich mich in dem Thema total wiederfinde. Nun ist es allerdings so, dass man immer sagt, wenn man Psychologie studiert, dann findet man sich wahrscheinlich in vielen Themen wieder, genau wie sich wahrscheinlich viele Mediziner*innen in vielen medizinischen Themen wiederfinden und denken: "Oh, diese Krankheit habe ich bestimmt auch". Also habe ich das Thema erstmal wieder beiseite geschoben und gedacht: "Ach, das ist jetzt irgendein Hirngespinst was du hast. Du bist doch ganz normal, es ist doch alles gut" etc..


Irgendwann war die Verzweiflung aber immer größer und ich bin immer wieder auf das Thema gestoßen. Schlussendlich dachte ich dann, ich glaube so 1-2 Jahre, nachdem ich mich schon immer wieder mit dem Thema aufeinandergesetzt hatte, dass ich jetzt einfach mal eine Diagnose machen möchte, um zu schauen, ob ich es habe oder nicht. Es kann ja auch herauskommen, dass ich es gar nicht habe und dann hat sich das Thema sowieso erledigt. Einfach zur Sicherheit habe ich gedacht, weil sich dadurch vielleicht ziemlich viel für mich erklären könnte.


Die ADHS-Diagnose

Schlussendlich habe ich dann einige Zeit nach meiner Diagnose-Sitzung das Ergebnis bekommen. Ich bin also wieder hingefahren, mit einem etwas mulmigen Gefühl im Bauch, weil ich auch nicht richtig wusste wie ich mit dem Ergebnis umgehen soll. Ich wusste nicht recht was ich mache, wenn herauskommt, dass ich es habe oder, dass ich es eben nicht habe. Schlussendlich kam dann heraus "Ja, es ist so, es stimmt, ich habe ADHS".


Erleuchtet nach der Diagnose

Die Tage danach waren erstmal sehr erleuchtend, ich hatte nämlich erstmal das Gefühl, dass ich für alles plötzlich eine Erklärung habe, was davor irgendwie so komisch erschien und was ich irgendwie nicht verstanden habe; was mich immer wieder in die Verzweiflung getrieben hat. Das hat sich erstmal super gut angefühlt.


Ich erkenne meine ADHS

Dann, als ich immer mehr über das Thema gelesen habe und den sogenannten Hyperfokus über das Thema hatte ist mir plötzlich immer mehr in meinem Alltag aufgefallen wie mich ADHS beeinflusst oder bzw. welche Auswirkungen ich durch ADHS in meinem Alltag habe. Ich habe also den ganzen Tag nur noch gesehen "Oh, das ist ADHS, das ist ADHS und das ist ADHS" und nachdem ich vorher immer noch ab und an gezweifelt hatte, war ich mich immer sicherer "Ja, du hast ADHS". All die Dinge die mir den ganzen Tag über so begegnen, die irgendwie problematisch sind und mich im Großen und Ganzen immer wieder in die Verzweiflung getrieben haben, haben ganz genau damit zu tun. Und das wiederum war erstmal gar nicht so leicht einzusehen, sondern hat eigentlich sogar eher mit sich gebracht, dass ich noch ein bisschen verzweifelter war. Ich dachte "Wow, so viele Dinge, jeden Tag. Es beeinflusst mich eigentlich in jedem Lebensbereich und alltäglich". Das war dann irgendwie wiederum nicht so ein schönes Gefühl und ich habe erstmal viel an mir selber gezweifelt und dann gemerkt "das ist ein Thema das wirklich wichtig und groß für mich ist".


ADHS ein Leben lang

Ich meine ADHS ist eine Entwicklungsstörung und es gibt wohl Menschen, bei denen sich das als Kind irgendwann nochmal "rausentwickelt", aber ziemlich viele Menschen tragen das ihr ganzes Leben mit sich herum. Es ist eben keine Krankheit die kommt und einfach geheilt wird; es ist eine Entwicklungsstörung bei der sich das Gehirn anders entwickelt als bei anderen Menschen. In der ADHS-Community nennt man das auch oft neurotypisch und neurodivers oder neurodivergent. Das bedeutet neurologisch gesehen ist mein Gehirn etwas anders aufgebaut als das der meisten Menschen bzw. des Durchschnitts und das wird immer so bleiben. Das heißt bzgl. all dieser Dinge, die ich dann tagtäglich so entdeckt habe, die mich so beeinflussen, habe ich dann eben gewusst: Diese Dinge werden eben immer bleiben. Natürlich ist die Diagnose deswegen sehr hilfreich, weil ich dann natürlich auch Strategien erlernen kann um mit dem Thema umzugehen und um eben Hilfestellungen im Alltag zu erhalten; aber so grundlegend sind die Dinge eben da. Das kann ganz schön frustrierend sein, das zu sehen und zu begreifen; das Problem und dass es da ist und irgendwie zu einem gehört.


Warum ich auf der Suche war

Was war aber denn jetzt eigentlich die große Sache, die mich in die Verzweiflung getrieben hat und die schlussendlich dazu geführt hat, dass ich die Diagnose überhaupt machen wollte. Bei mir gibt es ein Thema, dass sich einfach immer wieder in meinem Leben wiederholt hat und genau dadurch, dass es sich immer wieder wiederholt hat, ist es einfach so verzweifelnd. Diese Sache ist meine Impulsivität und Begeisterungsfähigkeit. An sich ist das erstmal super schön. Ich mag es begeisterungsfähig zu sein und für die Dinge zu sprühen die ich mache!


Aber: Wenn man dadurch immer wieder Dinge fallen lässt und es nicht schafft eine gewisse Konsistenz im eigenen Leben aufzubauen, sondern tatsächlich immer wieder irgendetwas Neues beginnt, etwas Spannendes, etwas Herausforderndes und es einem einfach unglaublich schwer fällt die Dinge zu Ende zu bringen, dann schaut man immer mal wieder nach links und nach rechts und denkt sich: "Alle anderen Menschen haben jetzt so langsam ihr Studium abgeschlossen, fangen eine Arbeit an, wissen was sie wollen im Leben und ich will eben irgendwie alles". Ich will dies machen und das machen und habe tausend Ideen was ich noch alles machen könnte. Manchmal habe ich einfach nur Angst, dass mein Leben dafür gar nicht ausreicht, für all die Dinge die ich machen möchte.


Das kann sehr leidvoll sein, weil du einfach nie genau weißt wer du bist oder was du machen willst, sondern irgendwann hast du das Gefühl du weiß gar nicht mehr was du in deinem Leben machen möchtest, weil du so viele Ideen und Interessen hast, dass du ein bisschen das Gefühl hast deine Identität geht unter all dem verloren.


Der soziale Vergleich

Wir kenne alle die gesellschaftlichen Normen, sie werden einem tagtäglich so ein bisschen vorgepredigt und man weiß so ein bisschen was die Ziele im eigenen Leben sein sollten. Als erstes die Schule, dann Ausbildung, Studium, ein Job, Familie und so weiter. Das sind eben so die grundlegenden Ziele die jeder hat und irgendwie hat man dann das Gefühl mit seiner Art in diese Norm nicht mehr wirklich hineinzupassen, weil man irgendwie anders ist. Und wie eben schon erklärt: Man ist ja auch wirklich anders; aber in dem Moment, bis zu welchem man die Diagnose nicht hat, weiß man das ja alles gar nicht.


Das heißt ich habe nach links und rechts geschaut und mich verzweifelt gefragt: "Was zum Teufel stimmt eigentlich nicht mit mir? Warum sind die Dinge denn alle so anders bei mir und warum finde ich eben keinen geradlinigen Weg? Warum finde ich nicht was ich eigentlich anfangen möchte mit meinem Leben und warum fange ich immer irgendetwas an und zum Schluss habe ich 5 offene Projekte da liegen und keins von denen birgt irgendwie noch genug Interesse, dass ich daran weiterarbeiten möchte.


Studienabbrüche

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon zweimal, wenn man es genau nimmt, insgesamt dreimal, mein Studium abgebrochen und die Studiengänge haben mich alle total interessiert. Trotzdem habe ich sie abgebrochen. Ich war jetzt inzwischen in meinem vierten Studiengang und wusste: "Das ist jetzt etwas, das interessiert mich wirklich" und auch über die Jahre hinweg hat mich das Interesse für Psychologie irgendwie nicht wieder losgelassen. Trotzdem war es wirklich unglaublich schwierig das Studium weiter fortzuführen, weil es zwischendrin immer wieder Episoden gab, in denen ich von etwas so stark geträumt habe, dass ich das Gefühl hatte, am liebsten alles jetzt wieder umschmeißen zu wollen und wieder etwas ganz anderes machen zu wollen: zum Beispiel Notfallsanitäterin zu werden.


Das sind alles auch Träume die sicherlich auch gut zu mir gepasst hätten, das ist gar nicht die Frage. Aber wie gesagt, irgendwann beginnt man eben zu zweifeln und ist einfach nur noch frustriert, weil man eben nicht dieses typische Leben hat und da irgendwie gar nicht hineinpasst. Außerdem fehlt einem irgendwie so ein bisschen der Platz in der Gesellschaft und man weiß auch gar nicht so richtig mit sich umzugehen. Irgendwie wusste ich nicht so genau: "Was für ein Leben soll ich denn dann leben und was für ein Leben passt denn dann zu mir, wenn ich so gar nicht bin?". Das Größte waren eben einfach die Zweifel.


Ich dachte, dass es jedem so geht

Noch dazu hatte ich zu diesem Zeitpunkt nie das Gefühl, dass ich mich schlecht konzentrieren kann, sondern es hat sich immer wieder nur in den Ergebnissen wieder gespiegelt. Ich meine, ich bin mein ganzes Leben lang die gleiche Person gewesen oder bzw. war ich immer ich und ich habe auch noch nie in dem Gehirn von jemand anderem gelebt, das heißt, ich weiß ja nie wie sich andere Menschen konzentrieren können. Ich bin einfach automatisch immer davon ausgegangen, dass es jedem so geht wie mir und dass sich jeder so konzentrieren kann, wie ich. Da habe ich auch nie dran gezweifelt und auch nie darüber nachgedacht.


Ich bin eine Versagerin

Ich war auch immer jemand der immer unglaublich viel Engagement zeigt, für das was er tut,. Ich habe sehr viel Zeit in mein Studium gesteckt und teilweise um Welten mehr als irgendwelche andere Menschen und trotzdem habe ich zum Schluss immer schlechtere Ergebnisse hervorgebracht Auch da habe ich überhaupt nicht verstanden warum das denn so ist, ich habe einfach nur die Zweifel gespürt und mich gefühlt wie eine Versagerin,. Ich wusste einfach nicht was mein Problem ist und habe immer wieder Phasen gehabt in denen ich so verzweifelt und frustriert war, dass ich den Sinn hinter allem gar nicht mehr sehen konnte.


Genau und diese Verzweiflungs-Phasen wurden dann eben teilweise so schlimm, dass ich das Gefühl hatte "ich muss die Diagnose jetzt einfach machen, weil das könnte vielleicht ne Lösung sein, die irgendwie alles erklärt und wie eben schon erklärt hat mir das tatsächlich dann die Augen geöffnet und ich habe schon viel über mich gelernt und konnte verstehen was das Problem hinter alldem wirklich ist.


Wie sich ADHS in meinem Alltag äußert

Was ist mir denn dann schlussendlich im Alltag aufgefallen, als ich quasi die Diagnose erhalten habe? Welche Symptome hatte ich denn überhaupt, die mir den Alltag tagtäglich erschweren? Wie schon gesagt, ein großes Thema ist für mich die Impulsivität, die äußert sich in ganz viel Begeisterung. Es war also ziemlich schwierig da eine Konsistenz im eigenen Leben zu finden oder etwas womit man sich dann wirklich identifizieren kann, also eine Identität die bleibt und über die man so seinen Selbstwert schöpfen kann; mit der man sich irgendwie wohl fühlt und wo man weiß: "Das bin ich und dafür stehe ich".


Medikation - Eine Brille aufsetzen

Ich habe auch in den Konzentrationstests ziemlich schlecht abgeschnitten. Aber wie schlecht ich mich konzentrieren kann habe ich tatsächlich erst dann bemerkt, als ich auch angefangen habe ein Medikament bzgl. ADHS zu nehmen. Viele Menschen beschreiben dieses Gefühl, indem man das Medikament das erste Mal nimmt, als ob einem irgendwie eine Glühbirne im Kopf angeknipst wird und plötzlich alles klar wird. Und so habe ich mich auch gefühlt. Diese Differenz oder dieser Unterschied hat mir dann erstmal gezeigt: "Okay, man könnte sich durchaus noch um einiges besser konzentrieren als ich das normalerweise so mache und andere Menschen konzentrieren sich anscheinend so wie ich mich jetzt gerade mithilfe dieses Medikaments konzentrieren kann". Natürlich bin ich auch mit dem Medikament müde und konzentriere mich auch nicht immer, wenn ich erschöpft bspw., so wie andere Menschen eben auch. Aber: Normalerweise laufe ich durch die Welt und alles ist irgendwie so ein bisschen verschwommen und bewölkt, alles ist irgendwie so ein bisschen unscharf und ich kann nirgends so richtig zuhören, ich kann nicht so richtig klar sehen, ich bin irgendwie immer in meinen Gedanken irgendwie so ein bisschen woanders. Zwischendrin kommen dann immer noch die tausend Ideen, die eben noch so auftauchen oder zehntausende andere Dinge, die ich gerade tun und lassen könnte. Da ist es überhaupt nicht so leicht bei der Sache zu bleiben.


Einfluss auf verschiedene Lebensbereiche

Und das ist eine Sache die mich in vielen Lebensbereichen beeinflusst bspw. auch in der Partnerschaft. Natürlich ist es schön, wenn man einander zuhören kann und wenn man auch, wenn der andere zu Ende gesprochen hat, noch weiß, was gesagt wurde oder dass man Interesse zeigt. Das wiederum braucht viel Konzentration. Auch auf der Arbeit sollte man sich konzentrieren können, zuhören können, die Sachen dann wiedergeben und verinnerlichen können. Natürlich auch im Studium, da sollte man sich logischerweise konzentrieren können, wenn man etwas hört, wenn man was liest, wenn man eben mit den Informationen konfrontiert ist; und eigentlich in jedem anderen Lebensbereich auch.


Vergesslichkeit

Mit dazu gehört auch die Vergesslichkeit, denn wenn wir uns nicht so gut konzentrieren können, dann können wir natürlich die Dinge auch nicht gut verinnerlichen und vergessen auch vieles wieder oder es kommt gar nicht erst richtig bei uns an. Das heißt wir vergessen super viel, wir sind teilweise ziemlich verpeilt und chaotisch. Wir können uns Dinge viel schlechter merken als andere Menschen.


Zeitmanagement

Eine Sache die auch ein wichtiges Thema ist, ist der Umgang mit der Zeit, also zu wissen, wie viel Zeit man für Dinge einplanen muss, um zum Schluss nicht zu spät zu kommen; was auch ein Thema ist, was mir super schwer fällt. Natürlich stresst das auch wiederum sehr. Gerade diese Dinge, wie bspw. zu wissen wie die Dinge eigentlich gerade sein sollten, also dass man gerade eigentlich das und das hätte machen müssen, dass man eigentlich hier und dort pünktlich gewesen sein müsste, dass man diesen Termin versäumt hat; man weiß ja, wie es eigentlich hätte sein sollen und man ist dann frustriert weil man merkt es ist eben nicht so gewesen. Ich habe die Dinge nicht hinbekommen und das verursacht auch super viel Stress, zum Beispiel wenn man mal wieder spät dran ist und für sich eigentlich die Priorität hat "ich möchte pünktlich sein". Du sitzt dann im Auto und bist schon total gestresst, versuchst dann doppelt so schnell zu fahren, um irgendwie noch rechtzeitig ans Ziel zu kommen und kommst dann total gestresst auf der Arbeit an. Du hast es mal wieder nicht geschafft dies und das vorher noch zu machen und die Hälfte am besten noch zu Hause vergessen.


Internalisierter Frust ohne Diagnose

Jetzt muss man sich einmal vorstellen wie das ist, wenn man eben nicht weiß, dass man ADHS hat. Dann schreibt man sich die ganzen Dinge eben selber zu und denkt nur: "Das ist eben mein Versagen, ich hab das mal wieder nicht geschafft, ich hab das mal wieder nicht hinbekommen, obwohl ich es eigentlich wollte". Natürlich möchte man es, aber man bekommt es eben nicht hin. Jetzt muss man sich vorstellen wie viel Frustration und Verzweiflung das in einem hervorruft, wenn man eben nicht weiß woher das Ganze kommt, wenn man sich immer nur wieder versagen sieht und immer wieder nur merkt was man alles nicht hinbekommen hat, obwohl man es sich eigentlich gewünscht hat, obwohl man es wollte. Das verursacht einfach unglaublich viel Leid.


Gründe für eine späte Diagnose

Die Frage ist, warum wird es denn nicht gesehen, warum kommt die Diagnose denn erst so spät? Die Antwort, die ich darauf habe ist, dass ADHS vor allem bei Frauen und Mädchen häufig übersehen wird. Zum Beispiel war ich als Kind ein sehr verträumtes Kind. So hatte ich bspw. immer den Spitznamen "Träumelinchen" und den hatte ich wirklich unabhängig von Personen oder Lebensbereichen. Ich habe in meiner Kindheit Leistungssport gemacht und hab mehrere Jobs gehabt, aber auch zu Hause oder in der Schule; ich wurde eigentlich überall, unabhängig voneinander "Träumelinchen" o.ä. genannt. Irgendwie wurde ich dafür auch so ein bisschen zurecht gewiesen oder mir wurde gesagt "jetzt wach doch mal auf", "nicht immer nur vor dich hin träumen" oder "du muss jetzt endlich mal aufwachen im Leben". Das heißt den Leuten in meinem Umfeld war das durchaus klar, dass ich da wohl verträumter war als andere und das ich da irgendwie nicht so aufgeweckt bin und trotzdem hat das aber nie jemand mit ADHS in Verbindung gesetzt. Das ist wohl dem geschuldet, dass da eben keine Aufklärung geherrscht hat, das die Menschen gar nicht wussten, dass das ADHS sein kann oder das das irgendwas damit zu tun hat.


Kritik & Masking

Im Prinzip wurde ich immer wieder mit meinen eigenen Schwächen konfrontiert und auch kritisiert oder zurechtgewiesen, aber mir hat irgendwie nie jemand erklärt woran das denn eigentlich liegt. So habe ich also von Anfang an immer ein bisschen versucht, das zu verstecken. Ich meine, man wurde ja dafür, wie gesagt, kritisiert und auch zurecht gewiesen und dann versuchst du natürlich das zu verstecken. Jemand anderes konnte ich irgendwie nicht sein, ich bin eben wer ich bin; aber man versucht dann eben da zu sein, so zu tun, als ob man gerade konzentriert zuhört, obwohl man eigentlich kein Wort versteht; man nickt immer angeregt, man versucht irgendwie Wortschnipsel zusammen zu basteln, die man irgendwie noch so herausgehört hat und damit eine Konversation zu bilden und zu antworten, aber schlussendlich ändert es nichts an der Ursache oder dem Problem, sondern es ist eben eine Maske.


In der ADHS-Community nennt man das ja auch "Masking"; man setzt dann eine Maske auf und tut so, als ob das alles gar nicht so wäre und als ob man zuhört, als ob man das alles im Griff hat, um eben nicht kritisiert oder ausgeschlossen zu werden oder dann dafür negative Konsequenzen zu erhalten. So maske ich mich also durch mein Leben und frage mich nur immer wieder warum ich die Dinge nicht so hinbekomme, versuche das aber vor anderen Leuten zu verheimlichen und so zu tun, als ob alles gut ist, damit mir auch ja keiner anmerken kann, dass ich irgendwie anders bin. Tja, und so kommt es dazu, dass ich dann 25 bin und mit 25 Jahren, sozusagen nach einem Viertel meines Lebens, schlussendlich die Diagnose erhalte, die dann schon, bevor sie überhaupt ausgesprochen wurde, so viel Verzweiflung, Frust und Hoffnungslosigkeit mit sich bringt, in dir selbst.


Komorbiditäten (Begleiterkrankungen)

Und da ist es dann ja auch kein Wunder, dass viele Menschen an einigen Komorbiditäten leiden. Komorbidität bedeutet Begleiterkrankung. Es gibt unglaublich viele Menschen die, bevor sie überhaupt mit ADHS diagnostiziert werden, mit Depression diagnostiziert werden, mit einer sozialen Phobie oder anderen Angststörungen, mit Persönlichkeitsstörungen oder eine Suchterkrankung. Und meiner Ansicht nach ist das doch klar und deutlich warum es dazu kommt, ich selber kann das super gut nachvollziehen, weil ich selber weiß, wie viel Verzweiflung mir dieses Thema eingebracht hat. Gerade deswegen, weil ich eben nicht wusste was dahinter steckt.


RSD und geringe Selbstwirksamkeitserwartung

Viele Menschen mit ADHS leiden auch an Rejection Sensitivity Disphoria, das heißt man hat sehr viel Angst und ist sehr sensibel für Kritik und Ablehnung von anderen, unter anderem weil man sie vielleicht in seinem Leben oft genug zu spüren bekommt und sie eben dann auch häufig auf sich selber bezieht. Man leidet oft an einem geringen Selbstwertgefühl und hat häufig das Gefühl sich selber nicht selbstwirksam zu fühlen, mit dem was man tut; was ja auch logisch ist, wenn man die ganzen Sache die ich eben erzählt habe, mal durchdenkt. Durch das masken, durch das immer verstecken müssen und das so tun als ob man eben doch so ist wie alle anderen auch, ist es ja auch klar, dass man dann eben bspw. soziale Ängste entwickelt. Viele Menschen mit ADHS haben soziale Ängste und wurde in ihrem Leben schon häufig ausgeschlossen oder gemobbt und haben die sozialen Konsequenzen zu spüren bekommen, weil sie eben anders sind.


Veränderungen in der Gesellschaft

So kann man sehen, dass ADHS ein sehr wichtiges Thema ist, da es eine sehr wichtige Rolle für viele Menschen spielt und dass dieses Thema noch viel mehr Aufklärung in der Gesellschaft beanspruchen sollte. Es sollten noch viel mehr Vorurteile bei Seite gelegt werden und aufgeklärt werden; damit es eben immer weniger Leute gibt, die bis 25 oder noch länger warten müssen, um zu verstehen was hinter all dem liegt. Sondern damit wir endlich verstehen können was die Probleme dahinter sind und dann schon früh genug unser Leben so gestalten können, dass wir die Bedingungen haben die wir brauchen, dass wir einen anderen Lebensweg gehen können und verstehen warum wir einen anderen Weg brauchen. Natürlich auch damit wir nicht kritisiert und ausgeschlossen werden müssen, sondern damit wir uns selber verstehen und erklären können, damit andere Menschen auch verstehen und akzeptieren können und nicht nur das sehen was eben zum Schluss nicht geschafft wurde oder vielleicht anders ist.


Und ich hoffe natürlich, dass ich mit meinem Podcast und meinem Instagram-Account dazu beitragen kann und sich unsere Welt in dem Punkt noch etwas verändert; wir da noch gemeinsam etwas schaffen können was etwas Licht ins Dunkel bringt und in ganz vielen verschiedenen Lebensbereichen aufklärt, Hilfestellungen schafft und was verändert in dieser Welt. Und das hört sich doch auch nach einem guten Abschlusswort an und somit verabschiede ich mich für heute! Bis bald, Svenja!

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